eMail von D. Siebert, die
erst vor kurzem wieder nach Alaska(Anchorage) gezogen ist:
Alle hier sind sehr betroffen, nachdem jeder gestern im Fernsehen die Bilder
vom zerstörten World Trade Center und dem Pentagon gesehen hat.
Überall, auch hier in Alaska, stecken diejenigen Leute fest, die den
Flughafen Anchorage als Zwischenlandestation hatten (Anchorage auch
'Crossroads of the World' genannt). Alle Hotels/Motels, Bed&Breakfast-Zimmer
sind ausgebucht, so dass viele Leute in Sporthallen und Schulen
untergebracht wurden; Decken wurden verteilt, Essen organisiert.
Mietwagen sind alle vergeben; einige Leute kaufen Autos und wollen über den
"Alcan Highway" (Alaska-Canada-Highway) zurück zu ihren Familien fahren,
weil ungewiss ist, wann wieder Flugzeuge starten und landen können... ein
grosses Problem für diese Reisenden mit Landung in Anchorage besonders, denn
die meisten Flüge landen zunächst in Seattle oder Chicago bevor sie dann
weiterfliegen in alle Richtungen der Vereinigten Staaten... diese Flughäfen
müssen also zunächst wieder geöffnet werden.
Viele Menschen hier in Alaska spenden Blut, um wenigstens das Gefühl zu
haben ein bisschen helfen zu können - zumindest sobald ein Flugzeug die
Blutkonserven nach New York fliegen kann. Mittlerweile muss man einen Termin
für's Blutspenden machen... Termine nicht vor nächster Woche.
Keine Flugzeuge am Himmel. Auch keine 'Bush-Planes' (kleine Wasserflugzeuge)
- was bedeutet, dass einige von den Jägern (es ist gerade Jagdsaison für
Elche) draussen in der Wildnis sind, und sich dort sicherlich fragen, warum
sie nicht wie vereinbart von irgendeinem See abgeholt werden...
Dann 2 Flugzeuge, die hier am Anchorage Intl. Airport unerwartet waren!
Grosser Alarm! Die Innenstadt wurde unter anderem kurzfristig evakuiert -
war aber alles in Ordnung...
Elmendorf Airforce Base und andere Stützpunkte hier in Alaska kontrollieren
Pässe, auch von Mitarbeitern und Angehörigen. Spürhunde werden eingesetzt
auf der Suche nach Sprengstoff... das Alyeska Pipeline Gebäude (direkt
gegenüber von Bradley/Reid, wo ich arbeite) wird seid gestern umringt von
Sicherheitsbeamten, weil man befürchtet, dass die Alyeska Pipeline Grund für
einen Terroranschlag sein könnte; die Ölförderung und Ölbeförderung durch
die Pipeline wurde kurzfristig gestoppt.
Alle sind geschockt - und jetzt am Folgetag machen sich erste Stimmen breit,
die aus der Hilflosigkeit heraus, nach Vergeltung rufen.
Viele fragen sich, ob President Bush die Fähigkeit besitzen wird, die
richtigen Entscheidungen zu treffen...
Den ganzen Tag hört und sieht man Meldungen im Fernsehen, im Radio und in
den Printmedien. Ununterbrochen. Alle versuchen irgendwie damit fertig zu
werden. Meine Arbeitskollegin hat gestern und heute mehrfach angefangen zu
weinen, als sie Schreckensmeldungen im Radio gehört hat... doch jetzt hat
sie wohl Gewissheit, dass ihre Freunde in New York OK sind...
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